Tournee durch Nordmähren, Nordböhmen und Norddeutschland
Eine knapp dreiwöchige Konzerttournee führte die Südmährische Sing- und Spielschar Stuttgart mit ihrem Leiter Wolfram Hader im Spätsommer über Westböhmen nach Nordmähren, Nordböhmen und Norddeutschland. Erste Station der Reise war Eger. Im Rahmen der XII. Akademischen Sommerschule des Europäischen Comeniums gab die Spielschar ein Konzert mit ihrem Programm mit jüdischer Musik aus den böhmischen Ländern. Bei den deutschen und tschechischen Teilnehmern der Sommerschule, die tagsüber noch bei der Restaurierung des jüdischen Friedhofs in Königsberg a.d. Eger geholfen hatten, stieß das Konzert auf reges Interesse und großen Beifall.
Besuch bei den Deutschen in Komotau
Nach Komotau war die Spielschar vom Deutschen Kulturverband Komotau und dem Verband der Deutschen in Komotau eingeladen worden. Im Begegnungszentrum erläuterten Frau Laubr vom Verband der Deutschen und Frau Hurnik vom Kulturverband der Spielschar die Lage der Deutschen in Komotau und schilderten ihre Aktivitäten. Das ursprünglich geplante Open-air-Konzert im Atrium des Kulturzentrums (dem Gebäude des ehemaligen Jesuiten-Kollegs) fiel leider buchstäblich ins Wasser und mußte in einen Saal im Kulturzentrum verlegt werden. Das Programm mit südmährischen Volksliedern, Instrumentalwerken und Tänzen (u.a. dem „Hatscho“ und dem „Znaimer Keltertanz“) wurden vom Publikum – fast ausschließlich aus heimatverbliebenen Deutschen bestehend – begeistert aufgenommen. Nächste Station der Reise war Nordmähren. Auf Vermittlung von Peter Barton vom Sudetendeutschen Büro in Prag wurde die Südmährische Sing- und Spielschar von Petr Anderle und den „Vlastenecky poutnik“ (Heimatpilger) nach Freudenthal und Bautsch eingeladen. Diese proeuropäische Bürgerinitiative hat unter anderem die deutsch-tschechische Verständigungsstraße ins Leben gerufen und setzt sich seit Jahren für einen verständnisvollen Dialog zwischen Tschechen und Sudetendeutschen sowie anderen Europäern ein.
Ein „Geisir tschechischer Volkslieder“
In der barocken Wallfahrtskirche auf dem Kohlberg bei Freudenthal und tags darauf in der Dechantkirche Mariae Himmelfahrt in Bautsch gab die Spielschar Konzerte mit tschechischer, deutscher und jüdischer Musik aus den böhmischen Ländern. Nach dem Konzert in Bautsch wurde die Spielschar im Kulturhaus vom Bürgermeister von Bautsch, Ing. Vrchovecky, dem Bürgermeister von Freudenthal, Stanislav Navratil, Petr Anderle und anderen Bautscher Bürgern empfangen. Bei Wein und leckeren Kolatschen dankten die Bürgermeister für die Konzerte und die Spielschar für die freundliche Aufnahme. Aufgelockert durch einige sudetendeutsche und tschechische Volkslieder wurde es ein sehr geselliger Abend – die Agentur „Moravskoslezska unionisticka tiskova agentura“ sprach von einem „Geisir tschechischer Volkslieder, gesungen mit bemerkenswertem Schwung, mit Liebe und vollkommenem Tschechisch“.
Südmährer bei Bohemia cantat
Weiter ging es nun nach Nordböhmen. In Reichenberg nahm die Südmährische Sing- und Spielschar am Internationalen Chorfestival „Bohemia cantat“ teil. 450 Chorsänger erarbeiteten bei diesem Festival unter der Leitung renommierter Chorleiter aus Tschechien und Deutschland an einem Wochenende verschiedene Chorwerke. Die Palette reichte dabei von der Renaissance über die Romantik zur Moderne und umschloß auch Jazzmusik und Obertongesang. Daneben wurde auch im Plenum mit allen Teilnehmern gemeinsam gesungen. Beim Abschlußkonzert präsentierten die Workshops die einstudierten Werke. Auf Bitten des Festival-Direktors Jan Stanek hatte auch die Spielschar einen kurzen Auftritt. In seiner Ankündigung drückte er seine Freude darüber aus, daß bei dem Festival auch ein Ensemble dabei sei, das von vertriebenen Deutschen aus den böhmischen Ländern gegründet wurde. Der kurze Auftritt der Spielschar mit dem südmährischen Volkslied „Schworz san de Kerschtn“, dem tschechischen Volkslied „Vrt sa dévca“, Viktor Ullmanns „As der rebe elimelech“ und dem südafrikanischen Gospel „Si ya hamba“ (hier sang der gesamte Saal mit) wurde mit enthusiastischer Begeisterung aufgenommen. In Dresden legte die Spielschar einen rein touristischen Zwischenhalt ein und besichtigte die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der historischen Altstadt. Höhepunkt war dabei die erst vor kurzem wiederaufgebaute Frauenkirche.
Benefizkonzert in Hameln
Das nächste Konzert war in Hameln, der „Rattenfänger-Stadt“ im Weserbergland. Hier gab die Südmährische Sing- und Spielschar in der Marktkirche ein Benefizkonzert zugunsten des Neubaus einer Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hameln. Rachel Dohme, die Vorsitzende der etwa 200 Mitglieder starken Gemeinde, zeigte sich in ihrer Begrüßung sichtlich gerührt davon, daß das Ensemble der Gemeinde dieses Angebot gemacht hatte – und konnte sich am Ende über mehr als 400 € an Spenden für den Neubau freuen. Das Konzert stieß auf sehr positive Resonanz sowohl bei den zahlreichen Zuhörern, unter denen auch einige sudetendeutsche Landsleute aus der Umgebung waren, als auch bei der Presse: „Jüdische Kultur zum Blühen gebracht“, titelte die Rezensentin der lokalen Zeitung.
Kirchenkonzert mit Andreas Willscher in Hamburg
Von Hameln ging es weiter nach Hamburg. Nach einer Bootsfahrt durch Hafen und Speicherstadt steuerte die Spielschar die Katholische Kirche St. Wilhelm in Hamburg-Bramfeld an. Mit dem Hamburger Organisten Andreas Willscher, aus Sudetenschlesien stammend, gab das Ensemble dort ein Konzert mit geistlicher Musik aus den böhmischen Ländern. Auf dem Programm standen Werke von Leon Kornitzer, Moritz Deutsch, David Rubin, Max Löwenstamm, Theodor Veidl, Widmar Hader und Andreas Willscher. Von letzterem sang die Spielschar als deutsche Erstaufführung „Ein abent segen“ nach einem Text von Abraham Letscher – uraufgeführt hatte sie das Werk im Juni in Prag. Beim fachkundigen Publikum (zwei Chöre hatten für das Konzert ihre regulären Proben entfallen lassen) stieß das abwechslungsreiche Programm auf viel Beifall.
Bei den Sudetendeutschen in Rostock
In Rostock umrahmte die Südmährische Sing- und Spielschar das 6. Landestreffen der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Zunächst sang die Spielschar samstagmorgens im ökumenischen Gottesdienst in der Stadtkirche Warnemünde, mittags umrahmte sie die Eröffnung des Landestreffens im „Nordlicht“ in Rostock-Lichtenhagen mit südmährischen Volksliedern. Ein gut einstündiges Programm mit südmährischen Volksliedern, historischem Tanz und Volkstänzen sowie mit Renaissancemusik präsentierte die Spielschar schließlich beim Heimatabend im „Nordlicht“.
Zu Besuch bei Tom Winkler
Von der Ostseeküste ging es weiter nach Ostwestfalen. In Bielefeld gab die Südmährische Sing- und Spielschar ein Konzert mit jüdischer Musik aus den böhmischen Ländern in der Ev.-Ref. Süsterkirche, das von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit veranstaltet wurde. Auch dieses Konzert war gut besucht und fand ein sehr positives Echo. Ein Höhepunkt der Reise wurde der folgende Abend beim Filmemacher Tom Winkler. Der 85jährige Olmützer hatte die Spielschar in sein Haus eingeladen, das ein wahres Museum für westfälische Kulturgeschichte darstellt. Mit viel Humor präsentierte Tom Winkler einige seiner sehenswerten und witzigen 16mm-Filme, für die er weltweit zahlreiche Auszeichnungen erhalten hatte. Bereichert wurde der Abend durch Lesungen der nordmährischen Heimatdichterin Klopp, südmährische Volkslieder und württembergischen Wein.
Benefizkonzert für das „Zentrum gegen Vertreibungen“
Berlin war die letzte Station der Tournee. Im Stiftstheater des Augustinums Kleinmachnow hatte Sibylle Dreher vom Bund der Vertriebenen ein Benefizkonzert mit der Südmährischen Sing- und Spielschar zugunsten des „Zentrums gegen Vertreibungen“ organisiert. Südmährische Volkslieder, Tänze und Instrumentalwerke sowie Lesungen von Autoren wie Herbert Wessely und Ilse Tielsch entführten das Publikum nach Südmähren, ins Land an der Thaya. Nach dem Besuch von Schloß Sanssouci konnte die Spielschar tags darauf beim Abschlußabend auf eine sehr gelungene und erfolgreiche Tournee anstoßen. Das Ensemble konnte in den zumeist gut besuchten Konzerten ein breites Publikum aus ganz verschiedenen Gruppierungen erreichen und stieß dabei durchweg auf positive Resonanz.
Die nächste Tournee im Sommer 2006 wird die Südmährische Sing- und Spielschar übrigens wieder in fernere Regionen führen: Ziel ist Argentinien.