Begegnung der Kulturen
Die Südmährische Sing- und Spielschar Stuttgart auf Konzertreise durch Südafrika und Namibia
Die Südmährische Sing- und Spielschar bot (unter der musikalischen Gesamtleitung von Wolfram Hader) dabei ein vielfältiges und abwechslungsreiches Konzertprogramm dar, das Chor- und Instrumentalmusik sowie Tänze aus mehreren Jahrhunderten umfaßte. Im ersten Teil führte der Bogen von Renaissance-Musik mit Krummhörnern und Renaissance-Blockflöten über barocke Instrumentalmusik für Flöten und Streicher bis zu Chormusik aus dem 19. und 20. Jahrhundert (u.a. mit Werken von Franz Schubert, Antonin Dvorak, Fritz Slawik und Widmar Hader). Höhepunkt des ersten Teils war die „Beseda“, ein böhmischer Salontanz; der böhmische Landestanzmeister Karel Link hatte 1863 die wichtigsten böhmischen Nationaltänze zu dieser schwungvollen und eleganten Tanzfolge zusammengestellt. Nachdem die „Beseda“ zu ihrer Zeit bereits ganz Europa und Amerika erobert hatte, stellten die Aufführungen der Spielschar wohl ihr erstes Erscheinen in Afrika dar. Der zweite Teil des Programms war Volksliedern und Volkstänzen aus Böhmen und Mähren vorbehalten – er begann mit dem Iglauer Hochzeitstanz „Hatscho“ und endete mit dem „Znaimer Keltertanz“.
Erste Station der Tournee war die Hauptstadt Südafrikas: Pretoria. Gastgeber der Spielschar war hier der Eltern- und Ehemaligen-Chor Conwonnité der Wonderboom High School. Dieser Chor und der Schulchor der Wonderboom High School eröffneten die Soirée am 1. August mit Chorliedern nach Texten auf Afrikaans und traditioneller Zulu-Musik; sie demonstrierten dabei das beachtliche Niveau der südafrikanischen Chorkultur. Auf großen Beifall stieß auch das Programm der Spielschar. Am folgenden Vormittag fand sich die Spielschar erneut in der Aula der Wonderboom High School ein, um in einem kürzeren Auftritt den Schülern der Oberstufe Volkslieder und -tänze aus Böhmen und Mähren zu präsentieren. Mit reger Aufmerksamkeit verfolgten die jungen Südafrikaner die Darbietungen der Spielschar und spendeten reichlich Applaus. Nach Bloemfontein – Hauptstadt der ehemaligen Burenrepublik Oranje Free State – war die Südmährische Sing- und Spielschar von der Südafrikanischen Chorvereinigung eingeladen worden.
Am 3. August trat das Ensemble im Odeion der Universität von Bloemfontein als Gastchor bei dem Chorwettbewerb Applous 2000 auf; an diesem Wettbewerb nahmen Chöre von Primary und High Schools aus der Region teil und ließen ihr (häufig sehr beachtliches) Können von einer Jury aus renommierten südafrikanischen Chorleitern bewerten. Die Spielschar präsentierte der Jury (außer Konkurrenz) das Programm, das sie im November 2000 bei einem Chorwettbewerb in Prag singen wird. Neben viel Lob erhielt sie dabei auch wertvolle Anregungen für die weitere Chorarbeit. Während der Beratungen der Jury führte die Spielschar dem Auditorium noch einige Tänze vor.
Auch bei einem breitgefächerten Kulturabend in der High School Sentraal in Bloemfontein am 4. August wirkte die Spielschar mit – neben einigen südafrikanischen Gruppen und Chören wie dem weltberühmten Bloemfontein Children’s Choir. Mit großer Vielfalt (Alte Musik, Blockflötenensemble, Chor, historischer Tanz, Volkstanz) bei kurzer Auftrittsdauer setzte die Spielschar hier einen ganz eigenen Akzent. Der großen Applaus und ein besonderes Lob von Hubrie Vester, der Leiterin des Bloemfontein Children’s Choir und des Landesverbands der Chorvereinigung, hervorrief.
Von Bloemfontein ging es per Flugzeug weiter nach Kapstadt. Die Südmährische Sing- und Spielschar trat hier am 5. August als internationale Gastgruppe bei der Tygerberg Fanfare in einem großen Festival-Zelt auf. Vor einem sehr zahlreichen Publikum bot das Ensemble Alte Musik, Tänze und Chormusik dar, die lebhaften Beifall hervorriefen.
Die nächsten eineinhalb Tage widmete die Spielschar den Attraktionen Kapstadts und der Kaphalbinsel. Pinguine und Wale gab es auf der Fahrt zum Kap der Guten Hoffnung (auch treffenderweise Kap der Stürme genannt) zu sehen; vom Tafelberg aus bot sich ein fantastischer Ausblick auf Kapstadt und Umgebung.
Ein Kirchplatz mit 25 denkmalgeschützten Gebäuden vom Ende des 18. Jahrhunderts und die Begrüßung durch eine Blaskapelle unter Leitung von Reuben Talliard erwarteten die Spielschar am 7. August in Genadendal, der ältesten deutschen Missionsstation in Afrika. 1737 war Georg Schmidt von der Herrnhuter Brüdergemeine (die sich in Südafrika nach ihren Wurzeln Moravian Church nennt) hierher gekommen, um den Khoi das Evangelium zu verkünden.
Ein interessantes Museum demonstriert dem Besucher eindrucksvoll die Geschichte von Genadendal, das einst die zweitgrößte Siedlung Südafrikas war. Eine Würdigung für die Bedeutung des Ortes war, daß Nelson Mandela nach seinem Besuch dort im Jahre 1995 seinen Kapstädter Amtssitz Westbrooke in Genadendal umbenannte. Beim abendlichen Konzert der Südmährischen Sing- und Spielschar in der Kirche der Moravian Church konnte Rev. Augustin Joemath etwa 100 Besucher begrüßen, für die diese wohl erste Bekanntschaft mit der Kultur aus dem Herkunftsland ihrer Glaubensgemeinschaft ein echtes Erlebnis war. Auch für die Spielschar war der Tag in Genadendal ein Erlebnis – nicht zuletzt aufgrund der herzlichen Gastfreundschaft der Moravians. Nach einem Abstecher in das Weinland um Kapstadt gab die Südmährische Sing- und Spielschar am 8. August in Worcester auf Einladung des Worcester Music Club ein Konzert in der sehr schönen Biesenbach Hall.
Zu diesem Konzert waren auch zahlreiche deutsche Südafrikaner gekommen, bei denen das Programm großen Anklang fand und die es genossen, nach dem Konzert mit Landsleuten aus ihrer alten Heimat zu plaudern. Da Worcester eine Blindenschule hat und ein sehr blindenfreundlicher Ort ist, waren auch ein paar blinde Besucher im Konzert der Spielschar – eine ganz besondere Erfahrung für die Gruppe. Von Kapstadt aus ging die Reise weiter – die Garden Route entlang – bis nach Knysna, einem beliebten, an einer Lagune gelegenen Ferienort. Veranstalter des Konzerts der Spielschar am 11. August in der Halle der Dutch-Reformed Church war die Knysna Music Society, ein privater Verein, der – ohne jegliche staatlichen Zuschüsse – regelmäßig Konzerte organisiert.
Ein plötzlicher Stromausfall zu Beginn der Stellprobe sorgte nur kurzfristig für Orientierungslosigkeit; das Konzert war sehr gut besucht, und das Auditorium – sonst eher Kammermusik gewöhnt – genoß das Programm der Spielschar sichtlich.
Ein Erlebnis besonderer Art war für die Südmährische Sing- und Spielschar das Konzert am 13. August in Port Elizabeth. In der Halle der Methodisten-Kirche im Stadtteil New Brighton gab die Gruppe ein gemeinsames Konzert mit dem bekannten Schwarzen Chor Joy of Africa (unter der Leitung von Hector Makaya Mjana). Die Spielschar präsentierte die Höhepunkte ihres Konzertprogramms. Für die Spielschar ungewohnt, aber sehr wohltuend, war die sehr emotionale und spontane Reaktion des schwarzen Publikums auf ihre Darbietungen. Den ersten und den letzten Teil des Konzerts gestaltete Joy of Africa. Mit ungeheurer Intensität und Emotionalität (und mit großem Vibrato) sang dieser Chor traditionelle afrikanische Musik (mit Bewegungselementen), aber auch europäische Chormusik wie Erlaube mir, feins Mädchen (Brahms) und das Deutschland-Lied mit einem englischem Text. Nach einem gemeinsamen Lied endete das Konzert mit der inbrünstig gesungenen Nationalhymne des Neuen Südafrikas.
Für die Südmährische Sing- und Spielschar war dieser Abend der letzte in Südafrika. Am nächsten Tag flog die Gruppe nach Namibia, der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Am ersten Abend stand ein Treffen mit deutschen Südwestern vom Volkstanzkreis Windhoek auf dem Programm, so daß die Spielschar gleich aus erster Hand Informationen über Land und Leute bekam. Am 15. August führte die Reise weiter von Windhoek nach Swakopmund, einem Küstenort, der wegen seiner zahlreichen Gebäude im Kolonialstil, der deutschen Straßennamen und der Cafés und Konditoreien mit deutschem Angebot auch als „südlichstes deutsches Nordseebad“ bezeichnet wird. Das abendliche Konzert der Spielschar in der Aula der Deutschen Grundschule von Swakopmund war gut besucht; den großen Beifall des Publikums bündelte der Rektor der Schule, Herr Schulte, in einer kurzen Schlußansprache, in der er die Bedeutung dieses Konzerts hervorhob und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, daß davon Impulse für die Musikpraxis an seiner Schule weiterwirken.
Letzte Station der Reise war am 16. August wiederum die namibische Hauptstadt Windhoek, wo die Südmährische Sing- und Spielschar ihr letztes Konzert in der Delta School, der staatlichen Deutschen Grundschule, gab. Besonderes Interesse fanden hier die Renaissance-Instrumente: In der Pause wurde den Besuchern das für sie gänzlich fremde Krummhorn ausgiebig vorgestellt.
Über das Konzert wurde auch ein Bericht im Namibischen Rundfunk ausgestrahlt.
Dem Konzert schloß sich ein gemütliches Beisammensein mit dem Volkstanzkreis Windhoek (unter der Leitung von Hartmut Voigts) an. Für die Südmährische Sing- und Spielschar Stuttgart war ihre Tournee durch das Südliche Afrika ein großer Erfolg. Die Konzerte waren fast ausnahmslos gut besucht, und das südafrikanische und namibische Publikum fand durchweg großen Gefallen an dem breiten und bunten Konzertprogramm mit Musik aus Böhmen und Mähren. Durch die gemeinsamen Konzerte mit südafrikanischen Chören und Ensembles gewann die Spielschar aber auch ihrerseits Einblick in das Musikleben im Südlichen Afrika. So stellte diese Konzertreise im wahrsten Sinne des Wortes eine Begegnung der Kulturen dar.